Die Familiengerichte müssen sich immer wieder mit der Frage beschäftigen, ob die tatsächlichen Einkünfte eines Unterhaltspflichtigen die Bemessungsgrundlage für den Unterhaltsanspruch sind oder ob nicht fiktive Einkünfte hinzugerechnet werden müssen, weil der Pflichtige seine Erwerbsobliegenheit nicht voll ausschöpft. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu eine grundlegende Entscheidung getroffen (FamRZ 2012, 1283 ff.): Danach ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn nicht nur die tatsächlichen, sondern auch fiktiv erzielbare Einkünfte berücksichtigt werden. Dies sei dann zulässig, wenn der Pflichtige eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit unterlässt, obwohl er diese „bei gutem Willen“ ausüben könnte.
Dies setze aber zweierlei voraus:
• Zunächst müsse festgestellt werden, dass hinreichende Erwerbsbemühungen fehlten.
• Zum anderen müssten die zur Unterhaltserfüllung notwendigen Einkünfte auch objektiv erzielbar sein. Dies hänge von persönlichen Umständen wie z.B. Alter, beruflicher Qualifikation, Gesundheitszustand und auch vom Arbeitsmarkt ab.
In dem der Verfassungsbeschwerde zugrunde liegenden Fall, war dies nach Auffassung des Verfassungsgerichts nicht hinreichend geschehen. Zwar sei zutreffend festgestellt worden, dass der Pflichtige sich nicht ausreichend um eine Erwerbstätigkeit bemüht habe. Es fehlten jedoch konkrete Feststellungen dazu, wie und auf welcher Grundlage die Vorinstanzen zu einem fiktiven Einkommen des Pflichtigen gekommen seien, auf dessen Basis sie ihn zu bestimmten Unterhaltszahlungen verurteilt hatten. Zwar sei nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass das angenommene fiktive Einkommen auch tatsächlich würde erzielt werden können. Dies reiche aber nicht für eine Verurteilung aus. Vielmehr hätte konkret geprüft werden müssen, ob der Pflichtige angesichts seiner persönlichen Umstände auch objektiv die Chance gehabt hätte, das ihm unterstellte Einkommen zu erzielen. Aus diesem Grunde wurde die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen.
Diese Entscheidung ist zu begrüßen, weil in der gerichtlichen Praxis immer wieder festzustellen ist, dass zwar die Erwerbsbemühungen geprüft werden, die objektiven Chancen auf dem Arbeitsmarkt aber vernachlässigt werden.