Gärten sollten grundsätzlich der Erholung dienen und Freude bereiten – tatsächlich sind sie jedoch häufig der Grund für Streitigkeiten zwischen Nachbarn. Nicht umsonst hat Schiller bereits im „Wilhelm Tell“ festgestellt: „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“ Häufige Streitpunkte sind der Überhang von Zweigen, das Eindringen von Wurzeln, Grenzabstände von Pflanzen und deren Höhe und mögliche Beseitigungsansprüche. § 910 Abs. 1 BGB gibt dem Eigentümer eines Grundstücks ein Selbsthilferecht – er kann die Wurzeln eines Baumes oder eines Strauches abschneiden, wenn sie vom Nachbargrundstück eindringen. Dies gilt auch für herüberragende Zweige, wenn zuvor dem Besitzer des Nachbargrundstücks eine angemessene Frist zur Beseitigung gesetzt wurde und dieser die Frist nicht eingehalten hat. Voraussetzung ist jedoch stets in beiden Fällen, dass eine (erhebliche) Beeinträchtigung des Grundstücks dadurch vorliegt, was im Einzelfall häufig sehr unterschiedlich beurteilt wird. Grundsätzlich gibt § 1004 BGB dem durch herüberhängende Äste und eindringende Wurzeln in der Nutzung seines Grundstücks beeinträchtigten Eigentümer einen Beseitigungsanspruch gegen den Baumeigentümer. Zur Vermeidung nachbarrechtlicher Konflikte sind in den jeweiligen landesrechtlichen Nachbarrechtsgesetzen die Grenzabstände von Bäumen, Sträuchern, Hecken und sonstigen Pflanzen geregelt. Sind sie zu nah an der Grundstücksgrenze gepflanzt, besteht ein Anspruch auf Rückschnitt oder gar Beseitigung, wobei ggf. die einschlägige Baumschutzverordnung entgegenstehen könnte.
In NRW sind für Bäume und Sträucher in § 41 des Nachbarrechtsgesetzes die Abstände zum Nachbargrundstück geregelt – diese betragen z. B. 4 Meter für sog. „stark wachsende Bäume“, 2 Meter für alle anderen und zwischen 0,5 und 1 Meter für verschiedene Sträucher. § 42 regelt die Grenzabstände von Hecken (1 Meter bei einer Höhe von mehr als 2 Meter, bei kleineren Hecken 0,5 Meter). Wie immer gibt es Ausnahmen – z.B. wenn die Hecke als Einfriedung auf der Grenze steht oder wenn öffentliche Verkehrsflächen angrenzen.
Von besonders praktischer Bedeutung ist der Ausschluss des Beseitigungsanspruchs einer Anpflanzung mit zu geringem Abstand – der Nachbar muss innerhalb von sechs Jahren nach dem Anpflanzen Klage erheben. Da jeder an einem guten nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis interessiert sein sollte, empfiehlt sich vor Einleitung eines Rechtsstreits der Dialog mit dem Nachbarn. Immerhin kann der Obstbaum auf dem Nachbargrundstück auch etwas Gutes haben: Fallen die Früchte auf das eigene Grundstück, so kann ich sie behalten (§ 911 BGB).
RA Bernd Kretschmann
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
und Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft für Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltsvereins
in der Kanzlei Kretschmann, Opitz u. Feldt
Guru Ausgabe 02 / 2013